Führt die gesetzliche Krankenversicherung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?
Das Krankenkassensystem in Deutschland ist marode und muss dringend stabilisiert werden. Ein Ökonom kam daher auf die Idee, eine Selbstbeteiligung für die gesetzliche Krankenversicherung einzuführen. Andere Experten sehen diesen Vorschlag kritisch, denn sie befürchten, dass es alsdann zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft kommt. Traurigerweise gibt es so etwas schon und wer genau hinschaut, wird erkennen, dass es inzwischen bereits eine Vier-Klassen-Gesellschaft gibt.
Der große Unterschied
Die ersten beiden Klassen sind die private und die gesetzliche Krankenversicherung. Letztere gilt in Deutschland für die Mehrzahl der Angestellten und Arbeiter. Der Betrag für die gesetzliche Krankensicherung liegt aktuell bei 14,6 Prozent des Bruttogehalts, zu dem dann noch ein kassenabhängiger Zusatzbetrag kommt. Dabei handelt es sich im Schnitt um 1,2 Prozent. Eine Hälfte übernimmt der Arbeitgeber, für die andere Hälfte ist der jeweilige Arbeitnehmer zuständig. Welche Behandlungen die gesetzlichen Kassen übernehmen, ist jedoch nur grob vorgegeben. Gesetzlich verankert ist, dass jeder Versicherte einen „Anspruch auf eine ausreichende, bedarfsgerechte Versorgung hat, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht“.
Die Wirtschaftlichkeit spielt die Hauptrolle
Kassenpatienten bekommen die Behandlung von Ärzten und Psychotherapeuten sowie Aufenthalte im Krankenhaus und Reha-Maßnahmen, Medikamente und Heilmittel zur Heilung. Wichtig ist dabei, dass die Leistungen dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot genügen. Die Wirtschaftlichkeit steht damit im Vordergrund. Die Leistungen müssen zwar immer ausreichend, aber ausdrücklich zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Das Maß der Notwendigkeit dürfen sie dabei indes nicht überschreiten. Was dieses „Maß der Notwendigkeit“ ist, legt der Bundesausschuss fest. Bei neuen Behandlungsmethoden kann das in der Regel viele Jahre dauern. Zu den Basisleistungen kann eine Krankenkasse noch andere Leistungen, wie etwa alternative Heilmethoden oder Vorsorgeuntersuchungen, in ihren Katalog aufnehmen.
Ist die private Krankenversicherung besser?
Während die gesetzliche Krankenversicherung alle aufnehmen muss, können die privaten Kassen wählen, wen sie nehmen oder nicht. Hier spielt das Gehalt eine Rolle, was heißt, dass Freiberufler, Beamte und Studenten herzlich willkommen sind. Wer privat krankenversichert sein möchte, muss im Moment mindestens 66.600 Euro brutto im Jahr mitbringen. Das durchschnittliche Einkommen liegt in Deutschland aber rund 20.000 Euro niedriger. Die privat Versicherten zahlen einen fixen Betrag, der von ihrem Gehalt unabhängig ist und in regelmäßigen Abständen angepasst wird. Sie zahlen die Kosten für die Behandlung im Voraus und holen sich das Geld später von der Kasse wieder.
Männer und Frauen
Neben der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es noch zwei Gruppen, die unterschiedlich behandelt werden: Frauen und Männer. Die gesetzliche Krankenversicherung bedeutet für Frauen, dass ihnen deutlich mehr sogenannte IGeL-Leistungen angeboten werden. Diese Leistungen hält der Arzt zwar für notwendig, jedoch übernehmen die gesetzlichen Kassen die Kosten nicht. Die Früherkennung von Zysten, ein Abstrich zur Krebserkennung oder eine Ultraschalluntersuchung, um Fehlbildungen in der Schwangerschaft festzustellen, zählen zu den IGeL-Leistungen. Frauen werden auf diese Weise viel Geld los.
Fazit
Es ist die gesetzlich versicherte Frau, die ganz am Ende der Vier-Klassen-Gesellschaft steht. Danach folgen die Männer und schließlich diejenigen, die privat versichert sind, ganz gleich, ob mit oder ohne Selbstbeteiligung. Deutschland hat bereits eine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Wenn jetzt nach dem Willen einiger Ökonomen und des Gesundheitsministers Lauterbach (SPD) noch eine Selbstbeteiligung kommt, würde dies die Gesellschaft noch weiter auseinandertreiben. Explizit würden damit nur noch diejenigen eine adäquate Behandlung bekommen, die das nötige Geld haben.
Bild: © Depositphotos.com / stadtratte
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