Skandal: KKH-Allianz soll Schwerkranke zu Wechsel gedrängt haben

Die Versicherungsbranche hat einen neuen Skandal: Wie das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet hat, soll die gesetzliche Krankenkasse KKH-Allianz schwer kranke Mitglieder zu einem Wechsel der Krankenkasse gedrängt haben. Die aufgrund ihrer Krankheit besonders teuren Versicherten sollen hierzu im Rahmen einer großen Telefonaktion aufgefordert worden sein, heißt es im Magazin. Diese Vorwürfe sollen sowohl von Mitarbeitern der ZDF-Redaktion als auch von Versicherten selbst bestätigt worden sein. Darüber hinaus wurde eine Mitarbeiterin der KKH-Allianz zitiert, der zufolge „schwer Kranke und Pflegebedürftige systematisch aus der Krankenversicherung gedrängt“ werden sollten. Mit der „Geheimoperation der KKH-Allianz“ habe man zu teure Versicherte loswerden wollen.

In dem Fernsehbeitrag wurde unter anderem auch auf interne Telefonprotokolle der Versicherung hingewiesen, die während der mehrmonatigen Telefonaktion zu Hunderten angefertigt wurden. In den Protokollen waren z.B. Bemerkungen wie „Kundin ist blind; Kassenwechsel als Möglichkeit aufgezeigt“ oder „hat am Telefon geweint; Kündigung liegt vor“ bei einer schwer kranken Diabetikerin dokumentiert.

Die KKH-Allianz weist die Vorwürfe zurück, kündigte aber am Dienstag in Hannover an, die Hinweise mit einer internen Prüfung nachgehen zu wollen. Die Kasse bestätigte, dass es eine Telefonaktion gegeben habe, aber diese sei mit dem Ziel veranlasst worden, ausstehende Zusatzbeiträge von säumigen Versicherten einzufordern. Die KKH-Allianz hatte von März 2010 bis Februar 2012 von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag in Höhe von 8 Euro monatlich verlangt. Die aktuelle Zahlungsaufforderung habe sich ausnahmslos an alle säumigen Versicherten gerichtet und sei „unabhängig von Alter, Geschlecht, Krankengeschichte oder sonstigen Kriterien“ durchgeführt worden. Die Angerufenen zu einem Kassenwechsel aufzufordern, sei „ausdrücklich“ nicht Ziel der Telefonate gewesen, betonte die KKH-Allianz, die darauf hinwies, dass die Kündigungsquote nach der Telefonaktion niedriger war als nach schriftlich verschickten Mahnungen. Außerdem gebe es mittlerweile zwischen den Kassen einen Risikostrukturausgleich für chronisch kranke Versicherte, so dass es nicht mehr zutreffend ist, dass eine Krankenkasse automatisch wirtschaftlich besser stehe, wenn sie nur gesunde Mitglieder habe, heißt es bei der KKH-Allianz weiter.

Ein Sprecher des Bundesversicherungsamtes als zuständiger Aufsichtsbehörde, hat inzwischen gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ bestätigt, dass die Behörde bereits aktiv geworden sei. Man habe die KKH-Allianz „zu einer kurzfristigen Stellungnahme aufgefordert und werde falls notwendig auch selber vor Ort ermitteln“, berichtet die Zeitung.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte im ZDF das Vorgehen der Krankenkasse scharf und erklärte, dass „Wettbewerb nicht dazu führen darf, dass man gesetzliche Grenzen überschreitet“. Eine Medizinexpertin der Verbraucherzentrale Hessen bezeichnete das Verhalten der Krankenkasse – sollten sich die Vorwürfe als berechtigt herausstellen – als „absolutes Unding“. Auch der Präsident des Sozialverbandes SoVD, Adolf Bauer, verlangt in der „Neuen Presse“ eine „umfangreiche Aufklärung“ der Vorwürfe. Bauer kritisiert das Vorgehen der Kasse scharf und findet, dass „Geldeintreiberei per Telefon“ den Charakter von Finanzhaien habe. Er weist darauf hin, dass es für solche Zwecke das gängige schriftliche Mahnverfahren gebe und betont, dass das Patientenwohl stets Vorrang vor den finanziellen Interessen der Krankenversicherungen haben müsse. Auch der Gesundheitsökonom und Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Rolf Rosenbrock, zeigte sich angesichts der Vorwürfe empört und bezeichnete das Vorgehen der KKH-Allianz als Skandal. Da die gesetzliche Krankenkasse per definitionem eine Solidargemeinschaft sei, entspricht ein solches Vorgehen „auf keinen Fall dem Auftrag einer gesetzlichen Krankenversicherung“, so Rosenbrock im ZDF.

Nach eigenen Angaben sind bei der KKH-Allianz, die zu den größten deutschen Krankenkassen gehört und ihren Sitz in Hannover hat, derzeit rund 1,8 Millionen Menschen versichert.