Einheitliche Honorarordnung – kommt jetzt die Zwei-Klassen-Medizin?
Immer wieder sorgt die vermeintliche bevorzugte Behandlung der privat Krankenversicherten gegenüber denen, die gesetzlich versichert sind, für Unmut. So bekommt privat Krankenversicherte ohne Probleme sehr schnell einen Termin bei einem Facharzt. Wer hingegen gesetzlich versichert ist, der muss mitunter Wochen, wenn nicht sogar Monate auf einen solchen Termin warten. Die Krankenkassen mussten sich etwas einfallen lassen und boten zusammen mit der Vereinigung der Kassenärzte die sogenannten Terminservicestellen an. Dieses Modell hatte leider nicht den gewünschten Erfolg und daher kommt jetzt die einheitliche Honorarordnung.
Ein Zankapfel der Koalition
Die einheitliche Gebührentabelle sieht eine Anpassung der Ärztehonorare für private als auch für gesetzlich Krankenversicherte vor. Mit dieser Vereinbarung soll es keine Zwei-Klassen-Medizin mehr geben. Bislang erhalten Mediziner für die Versorgung von gesetzlich krankenversicherten Patienten, weniger Geld als für die Behandlung von privat versicherten Patienten. Das führt logischerweise zu einer bevorzugten Behandlung diejenigen, die privat versichert sind, sowohl bei den Wartezeiten als auch beim Umfang der Leistungen. Mittlerweile gibt es viele Fachärzte die überhaupt keine Kassenpatienten, sondern nur noch Privatpatienten behandeln. Um die einheitliche Honorarordnung wird bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und der CDU/CSU heftig gerungen. Jetzt haben sich die Politiker auf die Bildung einer Kommission geeinigt, die prüfen soll, ob eine einheitliche Honorarordnung überhaupt machbar ist. Ob die Einheitlichkeit bei den Honoraren funktioniert oder ob die Ärzte sich auf hohe Einbußen bei ihrem Einkommen einstellen müssen, darüber sind die Experten noch uneins. Was allerdings sicher ist: Hier treffen zwei unterschiedliche Systeme aufeinander, die nicht zusammenpassen.
Kritik kommt von den Krankenkassen
Die Pläne für die einheitliche Honorarordnung kommen von der SPD, aber bis jetzt kommen die Pläne nur bei wenigen wirklich gut an. Dafür gibt es aber jede Menge Kritiker, zum Beispiel aus den Reihen der gesetzlichen Krankenkassen. Sie kritisieren eine enorme zusätzliche Belastung für die Versicherten. Kommt es allein zu einer Angleichung der Honorare, ohne dass es gleichzeitig eine Anpassung der Leistungen gibt, müssen die Beitragszahler für die gleichen Leistungen mindestens sechs Milliarden Euro ausgeben. Kritik kommt ebenfalls von den privaten Krankenkassen. Sie haben Angst, dass mit einer einheitlichen Honorarordnung der erste Schritt in die Richtung einer einheitlichen gesetzlichen Bürgerversicherung getan wird. Dazu kommt, dass die privaten Krankenkassen im Übrigen große verfassungsrechtliche Bedenken haben. Bei einer gleichgestellten Gebührenordnung werden die sogenannte Vertragsfreiheit der Versicherten sowie die Berufsfreiheit der Ärzte und der Krankenversicherungen angegriffen.
Wie lang sind eigentlich die Wartezeiten?
Es sind die viel beschworenen Wartezeiten für einen Arzttermin, die die Diskussion erst richtig in Gang bringen. Experten sind sich sicher, dass eine einheitliche Honorarordnung auch in Zukunft nichts ändern wird. Schon aus rein rechnerischer Sicht ist das kaum möglich, denn rund 90 Prozent der Bürger sind gesetzlich und nur zehn Prozent privat versichert. Der ursächliche Grund für die verschiedenen Wartezeiten ist das Budget der zugelassenen Ärzte, besonders am Ende eines Quartals. Studien zu diesem Thema haben gezeigt, dass die Ärzte gegen Ende eines Quartals immer weniger oder gar keine Termine mehr für gesetzlich versicherte Patienten anbieten.
Das Honorar bei Privatpatienten und für private Zusatzleistungen
Bei den ärztlichen Honoraren entfallen rund 26 Prozent auf Privatabrechnungen. Darunter fallen unter anderem die privat versicherten Patienten, aber auch diverse private Zusatzleistungen, die gesetzliche versicherte Patienten auf Wunsch in Anspruch nehmen können. Bei einem Privatpatienten kann der Arzt bei einer vergleichbaren Leistung das zweieinhalb- bis Dreifache seines Honorars verlangen, als das bei einem gesetzlich Versicherten der Fall ist. Handelt es sich um einen Laborarzt, dann steigt das Honorar sogar auf das Fünffache. Anzunehmen, dass privat versicherte Patienten, auch eine bessere Behandlung bekommen, ist jedoch ein folgenschwerer Irrtum. Allerdings bekommen Privatpatienten vielfach Therapien und Behandlungen, die eigentlich gar nicht notwendig sind oder die Risiken haben. Keine Seltenheit ist auch, dass Privatpatienten mit einer Vielzahl von Forderungen für Leistungen konfrontiert werden, die sie überhaupt nicht angefordert haben. Immer wieder unternehmen Ärzte den Versuch, ihr Budget ein wenig aufzufrischen, indem sie gesetzlich versicherten Patienten zusätzliche Leistungen verkaufen möchten.
Zusatzangebote sind der neue Markt
Sollte es eine einheitliche Honorarordnung geben, dann kommt es auch zu einer Begrenzung beim Leistungsumfang und zu einer Begrenzung bei den Ausgaben. Das wiederum würde einen Markt für sogenannte Premiumpatienten schaffen. Die Ärzte könnten gemeinsam mit den privaten Krankenkassen zusätzliche Angebote auf den Markt bringen. Das können besondere Leistungen, aber eben auch verkürzte Wartezeiten sein, die sich die Premiumpatienten kaufen. Damit wäre der Weg in die Zwei-Klassen-Medizin aber endgültig zementiert. In diesem Fall müssten alle, die gesetzlich versichert sind, mit immer weniger Leistungen auskommen, während der reiche Premiumpatient alle Vorzüge und Sonderleistungen genießt.
Andere Lösungsansätze sind gefragt
Befürworter der einheitlichen Gebührenordnung sehen darin auch eine Lösung, um den Ärztemangel auf dem Land zu beheben. Leider können auch anders geregelte Gebührenordnungen an diesem Mangel nichts ändern, hier sind andere Lösungsansätze gefragt. Schon jetzt gibt es bereits Umsatzgarantien, attraktive Investitionshilfen und das Angebot, dass junge Ärzte als Angestellte der Kassenärztlichen Vereinigung Praxen günstig mieten können. Diese Maßnahmen sind jedoch kaum als Entscheidungshilfe für Ärzte geeignet, die sehr wohl wissen, dass es auf dem Land kaum Privatpatienten gibt. Es gibt allerdings noch viele andere Gründe, warum junge Mediziner in die Stadt und nicht aufs Land ziehen, die einheitliche Honorarordnung hat damit gar nichts zu tun.
Wie teuer wird die einheitliche Gebührenordnung?
Mit einer einheitlichen Gebührenordnung ohne Einkommensverluste bei den Ärzten müssen die Beiträge für die Versicherten massiv steigen. Gesundheitsexperten rechnen mit einer Steigerung von 0,46 Prozentpunkte auf 16 Prozent, weniger Zuversichtliche gehen von einer Erhöhung auf 16 Prozent aus. Bleibt es beim jetzigen Beitragssystem, dann müssen die Arbeitnehmer diese enorme Mehrbelastung allein tragen. Kommt es im nächsten Jahr hingegen zu einer paritätischen Verteilung, dann müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen die Last tragen.
Fazit
Noch ist bei den Koalitionspartnern nicht alles in trockenen Tüchern und es steht noch nicht einmal fest, ob es überhaupt zu einer erneuten Großen Koalition kommt. Ob eine einheitliche Honorarordnung Realität wird, ist mehr als fraglich. Sie würde, wie eine Bürgerversicherung auch, dafür sorgen, dass sich die Menschen in Deutschland, was das Gesundheitssystem angeht, wie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft fühlen. Die großen Probleme löst aber auch eine einheitliche Gebührenordnung nicht.
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